Beratungsansätze in der Theorie gibt es viele. In der praktischen Umsetzung führen unterschiedliche Rahmenbedingungen und Zielgruppen zu einer noch größeren Diversität. In dieser Reihe werden wir regelmäßig Beratungsansätze vorstellen und die Frage aufwerfen, inwieweit diese in der Beratungsarbeit im Themenbereich Islam- und Muslimfeindlichkeit / antimuslimischer Rassismus zum Einsatz kommen können. Den Anfang machen wir mit der Peer-Beratung.
Was ist Peer-Beratung?
Die Bezeichnung Peer entstammt dem gleichnamigen englischen Begriff mit der Bedeutung ‚Gleichrangiger‘ und findet seinen Ursprung im Altfranzösischen ‚per` sowie dem lateinischen ‚par` mit der Bedeutung ‚gleich‘ (vgl. Duden 2000, S. 1006).
Es handelt sich um eine Art der Beratung, in der die/der Beratende mindestens ein Diskriminierungsmerkmal mit den Betroffenen teilt. Dies ermöglicht einen besseren Zugang zu den Betroffenen und führt zu einem tiefergehenden Verständnis des Sachverhalts bzw. der Problematik.
In Deutschland kommen der Begriff und die Methode vor allem im Kontext der Beratung von Menschen mit Behinderungen vor. Dort ist dies auch sehr gut nachvollziehbar, da bspw. eine Person, die schon länger auf einen Rollstuhl angewiesen ist, dadurch sehr viel über die Barrierefreiheit einer Stadt, sagen wir Hamm, zu berichten weiß und Kenntnis der entsprechenden Infrastruktur hat. So eine Person wird nachvollziehbarerweise einer diesbezüglich weniger erfahrenen Person, wichtige Informationen bieten können.
Informationsweitergabe ist ein wesentlicher Bestandteil von Beratung. Jedoch reicht der bloße Besitz von Informationen nicht aus. Für eine gute Beratung sind noch weitere Aspekte notwendig.
Was sind Voraussetzungen für Peer-Beratung im Kontext von antimuslimischem Rassismus?
Das Angebot der Beratung im Kontext des antimuslimischen Rassismus in Form von peer-Beratung, würde eine Profession aus einem dem Beratungswesen nahestehenden Betätigungsfeld, wie bspw. dem religionspädagogischen, juristischen, oder sozialarbeiterischen Bereich voraussetzen. Die beratende Person sollte dem Wesen der Peer-Beratung nach, selbst dem muslimischen Glauben angehören. Neben guten Deutschkenntnissen, wäre auch die Kenntnis einer für diesen Kontext relevanten Fremdsprache von Vorteil, z.B. Türkisch, Arabisch oder Persisch, wodurch sprachliche Barrieren reduziert werden können.
Welche Möglichkeiten bietet Peer-Beratung im Kontext von antimuslimischem Rassismus?
Die größte Chance bietet die Methode selbst, die es Berater*innen ermöglicht, für Betroffene einen sicheren Raum zu schaffen, indem sie eine qualifizierte und unabhängige Beratung erhalten. Die oben genannten Voraussetzungen für die Anwendung von Peer-Beratung im Kontext des antimuslimischen Rassismus stellen sicher, dass Qualität (Fachlichkeit) und Objektivität (eine demokratische Rahmung) gegeben sind.
Wird Peer-Beratung bereits außerhalb der Ursprungsidee in anderen Kontexten verwendet?
Inge Missmahl hat die Idee der Peer-Beratung aufgegriffen und innerhalb eines Projektes eine einjährige Ausbildung zum Peer-Berater entwickelt. Die humanitäre Organisation ist im In- und Ausland tätig und bietet psychosoziale Beratung an. Dabei werden Menschen mit Migrationshintergrund in einer zertifizierten Ausbildung geschult, um Personen mit einem ähnlichen kulturellen oder sprachlichen Hintergrund psychosoziale Beratung anzubieten.